Potraitfoto Karla R.-M. und Volker M.

Karla R.-M. und Volker M.
80 Jahre
Berlin

Drei Monate vor Mauerfall haben wir geheiratet. Volkers 18-jähriger Sohn wartete noch die Hochzeit seines Vaters ab und ging kurz darauf, im September 1989, in den Westen. Er wohnte zunächst bei Volkers Bruder in der Eifel, der Onkel hatte ihm dort einen Job besorgt. Vor dem Jahreswechsel stiegen dann auch wir in unseren Wartburg und fuhren zu Volkers Bruder, zu seinem Sohn, zur familiären Wiedervereinigung. Unser Begrüßungsgeld, das wir vermutlich am Bahnhof Zoo abholten, ging wohl gänzlich für den Sprit drauf. Der Wartburg, wie der Trabi ein Zweitakter, fuhr ja mit einem Benzin-Öl-Gemisch. Das gab es an DDR-Tankstellen natürlich an der Zapfsäule, aber im Westen mussten wir dafür ein Teil Benzin mit einem Teil Zweitakter-Öl in einem großen Pott mischen, mit einem Holzlöffel umrühren und es dann per Trichter in den Tank füllen. Nach Silvester, als wir unsere Heimreise antraten, sagte Volkers Bruder: „Ihr müsst nicht extra tanken fahren, ich habe noch ganz viel Öl unten in der Garage.“ Und befüllte unseren Wartburg mit seinem hausgemachten Benzin-Öl-Gemisch. Was er ignoriert hatte: Es handelte sich nicht um Zweitakter-, sondern um ganz normales Motorenöl. Das wurde dann an jeder Kreuzung in den Innenstädten deutlich, an jeder grünen Ampel gab es eine Fehlzündung, eine kleine Explosion. Karla versank vor Scham im Boden, weil wir wie die letzten dummen Zonis wirken mussten.