Heidi F.
80 Jahre
Thüringen

Das erste Mal war ich mit meinem Sohn, seiner Frau und meiner Enkeltochter im Westen. Die war noch klein, aber die musste auch schon mit, damit wir das Geld für sie abholen konnten. Das war am 14.12.1989, da sind wir nach Sontra gefahren; das habe ich in mein Tagebuch geschrieben. Als wir in Sontra aus dem Auto ausgestiegen sind, war da ein Marktplatz und es kamen gleich die Zeugen Jehovas auf uns zu, die wollten uns bekehren. Die kamen dann auch immer in unser Dorf und haben bei den Leuten geklingelt.

Wir haben hauptsächlich was für die Kinder gekauft, für Weihnachten – Süßigkeiten und Südfrüchte, was es bei uns eben nicht gab. Für mich selbst habe ich direkt nichts gekauft. Höchstens was zum Backen, was es hier nicht gab, zum Beispiel Rosinen, Mandeln und Kokosflocken. Wir haben dann mehr Plätzchen gebacken zu Weihnachten. Einmal waren wir noch in Kahl am Main. Es hieß, dass wir da noch einmal 100 DM bekommen würden. Wir haben aber nur 40 DM bekommen.

Das mit den Preisen, das war eine Umstellung. In der DDR kostete ein Brot bei uns genauso viel wie an der Ostsee. Und im Westen, da war zum Beispiel ein Geschäft auf der einen Straßenseite und eins auf der anderen und die hatten unterschiedliche Preise. Da habe ich meine Schwiegertochter immer gefragt: „Was hat es denn dort gekostet?“ Und auch das mit den 99 Pfennigen, das war komisch, das war ich nicht gewöhnt. Bei uns gab es nur runde Preise.

Ich hatte Hylotox bei einem anderen Möbelstück angewendet, es war ja das einzige Mittel, das es gab. Wer weiß, wie ich mir damit den Kopf vernebelt habe. Als ich im Küchenschrank wieder den Wurm fand, war mir klar: nicht noch mal Hylotox. Also bin ich zwischen den Jahren nach West-Berlin gefahren. Ich hatte in der „Zitty“ eine Werbung gesehen für einen Laden in der Pariser Straße, der Bio-Farben hatte. Ich war hin und weg, dass es da einen ganzen Laden nur mit Farben auf Naturbasis gab. Tatsächlich hatten die was für mich. Damit bin ich nach Hause gefahren und war glücklich. Das Tollste war das Öffnen der Büchse. Mir schlug ein Geruch entgegen, das war wie Limonade. Es roch, als hätte ich es sofort trinken können. Das lag daran, dass ein Ringelblumenextrakt beigemischt war. Da dachte ich: „So riecht also der Westen.“ Ich war mir fast sicher: Das wird den Holzwurm nicht beeindrucken. Aber das Wunder geschah, das Mittel hat auch noch gewirkt. Und das war schon ein starkes Argument in meiner Sozialisation. Den Schrank gibt es heute noch und da waren nie wieder Würmer drin.