Das Begrüßungsgeld habe ich damals nicht als Almosen gesehen, weil ich mich nicht als „armen Bruder aus dem Osten“ sah. Im Herbst 89 war ich fast jeden Abend auf der Straße, habe mitdemonstriert … und fand mich sowieso sehr cool mit meinen toupierten Haaren und dem weiß geschminkten Gesicht.
Schnell kam das Gefühl, die Leute haben sich kaufen lassen. Gerade diejenigen, die sich das Geld dreimal abholten und sich dabei besonders clever fühlten. Das war so ein Trick: Wer mal im Ausland war, bekam in den Personalausweis eine Art Leporello eingeklebt. Beim Geldabholen kam der Stempel in den Ausweis und dann klebten die Leute einfach das Leporello ein Stück weiter, und der Stempel war weg.
Für mich war das einerseits Gier, andererseits ein Riesen-Kotau vor dem anderen System. Durch die ganze Kohle und den Glitzerwesten war letztlich ein eigener Weg unmöglich. Der aber war ja mal Sinn des Ganzen – und so war ich im Dezember schon auf Anti-Wiedervereinigungs-Demos.
Ost-Berlin hatte eine große Gruftie-, heute sagt man Gothic-Szene, und es gab Orte in West-Berlin, die wir nur vom Hörensagen kannten. Wie das „Linientreu“ in der Budapester Straße. Das machte schnell die Runde, dass man sich am 10. November 1989 abends dort treffen wollte. Die Nacht des Mauerfalls hatte ich mit Kumpels im Wedding verbracht, war am nächsten Morgen pünktlich auf Arbeit, schlief im Heizungsraum meinen Rausch aus, wachte mittags auf und fuhr wieder zum Übergang Sonnenallee und dann zum „Linientreu“. Vorher habe ich noch meine 100 Mark abgeholt.
Mein Geld hat extrem lange gereicht. In den Clubs konnte man am Anfang als Ossi in Ostgeld zahlen, zumindest für den Eintritt.Und die ersten Runden wurden eh ausgegeben.
Am 16. März 1990 habe ich den letzten Rest ausgegeben, für das Album „Carved in Sand“ der britischen Band The Mission, am Hermannplatz. Für 15, 17 Mark, so was. Und ich war das erste Mal richtig Burger essen von dem Geld: in einer Imbissbude in der Sonnenallee. Mit guter Cola.