Yvonne G.
38 Jahre
Annaberg-Buchholz/ Sachsen

Ich hatte eine glückliche Kindheit in der DDR, von den Repressionen der Diktatur habe ich nichts mitbekommen. Vielleicht auch, weil meine Familie eher unpolitisch war und sich aus allem rausgehalten hat. Den Fall der Mauer haben wir im TV gesehen: Da wurden trubelige Szenen gezeigt, dann hieß es: Die Grenze ist auf!

Das Begrüßungsgeld haben wir in Berlin abgeholt. Ich erinnere mich lebhaft an die Fahrt über die holperige DDR-Autobahn. Vor einer Bank-Filiale in der Karl-Marx-Straße stand eine riesige Menschenschlange. Dann ging es zum Hertie-Kaufhaus. Das riesige Süßigkeiten-Sortiment mit Haribo, Milka, Überraschungseiern & Co hat mich fasziniert – das war viel bunter als die Dosen-Pfirsiche, Blockschokolade und Othello-Kekse der DDR! Als Geschenk bekam ich aber ein „Monopoly“-Spiel.

Daheim haben wir die Verpackung aufgerissen und stundenlang gespielt. Bis dato kannte ich nur „Mensch ärgere dich nicht“ und Kartenspiele. Jetzt gab es neben Würfeln und Figuren auch Geldscheine und Ereigniskarten. Es ging um Strategie, man konnte Straßen kaufen oder ins Gefängnis wandern. Ich war begeistert!

Durch das Spiel habe ich quasi den Kapitalismus kennengelernt. Der hat mir natürlich viele Vorteile beschert: Demokratie, Reise-, Meinungs- und Informationsfreiheit. Ich konnte später andere Länder kennenlernen und studieren. Trotzdem stehe ich heute dem Kapitalismus durchaus skeptisch gegenüber. Güter des Gemeinwohls wie Wohnraum, Gesundheit, Bildung oder Wasser dürfen nicht der Profitmaximierung Einzelner dienen. Sie sind soziale Menschenrechte, auf die jeder Mensch Anspruch hat!

Heute bin ich Teamleiterin im Personalbereich und seit Kurzem Mutter von Zwillingen. Ob meine Kinder auch einmal „Monopoly“ spielen werden?