Tom S.
50 Jahre
Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt)

Ich war im September 89 aus dem Studium geflogen, weil ich „illegale Flugblätter“ der Bürgerbewegung verteilt hatte, „Thesen für eine demokratische Umgestaltung in der DDR“. Danach war ich bei den Demos dabei, die sich am Luxor trafen.
Nach dem Mauerfall haben wir gezögert, extra für das Begrüßungsgeld „nach’m Westen“ zu fahren, da wir eh schon ein Visum für die Schweiz beantragt hatten. Am Ende hatten wir zwei Visa: eins für die BRD und eins für die Schweiz. Die Autoschlangen in den Westen waren endlos und was es da zu kaufen gab, hätten wir ebenso etwas später in der Schweiz bekommen. Wir erhielten dann aber einen Anruf von meiner Tante, die uns einen Tipp gab, wo der Andrang gerade nicht so groß war, und so machten wir am 18. November einen spontanen Westausflug Richtung Coburg. In Neustadt bei Coburg haben wir, meine Eltern und ich, dann das Begrüßungsgeld abgeholt. Die Ausgabestelle war in so einem improvisierten Raum, vielleicht in einer Schule, wo man uns, gegen einen Stempel im Personalausweis, einen niegelnagelneuen Hundert-DM-Schein in die Hand drückte.
In einem Antiquariat in Coburg erstand ich meine erste Westplatte: Falco – „Einzelhaft“. Ich war stolz wie Bolle, da war „Maschine brennt“ drauf und „Ganz Wien“. Dazu kaufte ich eine Tube Haargel. In den 80ern war ich New Waver und trug die Haare auch so. Dann gab’s noch einen Michel-Briefmarkenkatalog – ich sammelte schon seit der Kindheit und Westverwandte sammelten mit – und ein paar Zeichenutensilien. Damit hatte ich noch nicht mal die Hälfte von meinem ersten Westgeld ausgegeben. Ich habe das alles noch heute, sogar das Haargel.