Potraitfoto Marion Brasch

Marion Brasch
57 Jahre
Berlin

Ich hab’ kurz überlegt, mir das Begrüßungsgeld zweimal abzuholen, mit Personalausweis und Pass. Ich dachte, vielleicht könnte man so dem Kapitalismus schaden. Aber das war natürlich Quatsch, dieses Geld floss ja eins zu eins wieder in den Wirtschaftskreislauf. Außerdem ließen wir uns ja in gewisser Weise schon beim ersten Abholen kaufen. Es war ohnehin schon so peinlich, was nach dem Mauerfall passierte. Ich habe mich für meine Landsleute geschämt, die sich vor den Lkw rudelten, von denen Bananen und Coca-Cola geschmissen wurden.

Also blieb es bei hundert Mark. Damit bin ich nach Kreuzberg in die Bergmannstraße gegangen, da gab es damals verschiedene Plattenläden. Kurz zuvor war „Spike“ von Elvis Costello erschienen, das wollte ich unbedingt haben. Für 20 Mark kaufte ich die CD, trug sie nach Hause und legte sie in den CD-Player der kleinen Kompaktanlage, die ich von meinem Vater geerbt hatte, nachdem er im Sommer 1989 gestorben war. Ich legte sie also ein, aber nichts passierte. Sie spielte nicht ab. Erst dachte ich, es liegt am Gerät, aber auch bei einem Freund funktionierte es nicht. Also bin ich zurück in den Laden, um die CD umzutauschen. Aber der Verkäufer sagte, nein, Umtausch komme nicht infrage. Wisse er doch nicht, was ich damit angestellt habe. So nach dem Motto: Diese dummen Ostler haben doch keine Ahnung, und mit denen kann man’s ja machen. Das war mein erstes Schlüsselerlebnis im Westen.

Willkommen im Kapitalismus, dachte ich. Die CD habe ich mir dann trotzdem noch mal nachgekauft. Aber in einem anderen Laden.