Ich habe noch vor Maueröffnung das Begrüßungsgeld bekommen, bei meinem einzigen Westbesuch, nach dem Mauerfall habe ich es mir nicht noch mal geholt. In den 80ern reisten immer mehr Bekannte aus oder dachten darüber nach, abends saß man zusammen und diskutierte.
Ich wohnte in Potsdam und machte eine Lehre zum Schrift- und Grafikmaler. 1988 bei der X. Kunstausstellung in Dresden sah ich ein Bild, das mein Gefühl traf, eine baumlose Landschaft und eine Asphaltstraße, die ins Nichts führt, niemand da. Im selben Jahr bekam ich schließlich die Genehmigung, meine Oma in der Nähe von Köln zu ihrem 81. Geburtstag zu besuchen. Ein Jahr vorher war mein erster Antrag abgelehnt worden, aus Willkür. Meine Oma war als Rentnerin in den Westen übergesiedelt.
Der Weg von Potsdam nach Ostberlin war eine kleine Weltreise; mit Ferkeltaxe, Sputnik und S-Bahn zur Friedrichstraße und dann durch den Tränenpalast über die Grenze und mit dem Mumienexpress in den Westen. Bei Köln habe ich mir dann zweimal das Begrüßungsgeld auszahlen lassen, weil meine Tante wusste, dass man es auch bei der Kirche bekam. So hatte ich 200 DM Westgeld. Ich habe mir „Das Bürgerhaus in Potsdam“ von Friedrich Mielke gekauft, an das ich im Osten nicht herankam. Meine Frau (wir waren frisch verheiratet) und ich hatten den Plan, ein Haus im Holländischen Viertel zu restaurieren, dabei sollte das Buch helfen. Ich habe 100 Mark dafür bezahlt, den Rest habe ich für Tageskarten für Kölner Museen und Mittagessen bei McDonald’s genutzt.
In Köln warb die Raiffeisenbank mit der Überschrift „Wir machen den Weg frei“, zu sehen war eine baumlose Landschaft und eine Straße, die ins Nichts führt. Da musste ich denken, in diesem Westen bleib’ ich nicht lange, diesen freien Weg brauch’ ich nicht. Aus dem Haus wurde schließlich nichts, weil die Mauer fiel. Das Buch steht heute bei meinem Sohn.