Ich gehörte nicht zu denen, die in der DDR aktiv protestiert haben und teils schwerste Sanktionen erleiden mussten. So mutig war ich mit zwei Kindern nicht. Ich bin dem Staat aber auch nicht in den A… gekrochen: Bei meinem Pflicht-Grundwehrdienst als 18-jähriger Abiturient bei der NVA bekam ich sechs Monate „Ausgangssperre“. Deswegen durfte ich nicht studieren. Stattdessen empfahl man mir die „Bewährung in der sozialistischen Produktion“. Also habe ich einige Jahre im VEB Geräte- und Reglerwerke Berlin-Teltow gearbeitet. Ein Elektrotechnik-Diplomstudium durfte ich erst später nachholen.
Nach dem Mauerfall stand mein Job auf der Kippe. Also habe ich in West-Berlin Arbeit gesucht. Westdeutsche Unternehmen stellten damals aber keine Menschen mit DDR-Pass ein. Ich dachte mir: „Gut, dann muss ich Bundesbürger werden!“ Ich habe mich im Februar 1990 beim Notaufnahmelager Marienfelde als „Flüchtling“ gemeldet. Da Berlin überfüllt war, schickte man mich zum Grenzdurchgangslager Friedland in Niedersachsen. Von dort wurde ich in eine 600 km entfernte Kaserne nach Wittmund in Ostfriesland verlegt. Dort bekam ich nach vier Tagen endlich meinen provisorischen BRD-Pass.
Die 100 DM Begrüßungsgeld habe ich genutzt, um in dieser aufregenden Zeit nach Hause zu telefonieren, meinen Pass zu bezahlen und mir ein Busticket von Ostfriesland nach Berlin zu kaufen. Jetzt war ich BRD-Bürger, konnte meinen Hauptwohnsitz in West-Berlin anmelden – obwohl ich weiter bei meiner Familie in Potsdam lebte – und erhielt prompt drei Wochen später eine Festanstellung bei den Deutschen Telefonwerken (DeTeWe) in West-Berlin Kreuzberg!
Meine „Flucht“ hat sich gelohnt: Ich hatte Arbeit und wurde nach West-Tarifvertrag bezahlt, während viele Ostdeutsche harte Brüche in ihren Erwerbsbiografien meistern mussten. Heute genieße ich meinen Ruhestand, bin Mitglied in der Non-Profit-Organisation „Friendship Force“, die internationale Begegnungen organisiert, und gehe regelmäßig zum Aikido-Training, das mir viel Freude bereitet!