Bühnenbildnerin am Theater war ich damals, wo viele unserer Schauspieler angesichts des Mauerfalls euphorisch waren, in den sie große Hoffnungen setzten. Mir hingegen war klar, dass der Osten Deutschlands jetzt ganz schlicht eingemeindet wird. Ich hatte also keine Hoffnung auf etwas wirklich Neues. Deshalb wollte ich auch das Begrüßungsgeld nicht „sinnvoll“ einsetzen. Und dachte: „Willkommen in der Überflussgesellschaft“. Ich bin jetzt also nicht mehr Bürger, sondern Konsument. Und mein Sohn, damals fünf Jahre alt, sollte sofort begreifen, was „Überfluss“ bedeutet. Dass ab jetzt solche Sehnsuchtsobjekte wie Mars-, Snickers-, Bounty-Riegel unbegrenzt zu haben sein werden. Also habe ich von dem Geld in einem Supermarkt am Hermannplatz Süßigkeiten gekauft – Süßigkeiten für hundert D-Mark. Bis zur Kotzgrenze; Schokolade, Gummibärchen, alles. Mit zwei vollen Plastiktüten kam ich nach Hause in unsere Zwei-Zimmer-Wohnung am Ostkreuz. Die war immer voller Zeug, denn als Bühnenbildnerin sammelte ich in der Mangelwirtschaft, in der wir bis zu diesem Moment lebten, praktisch alles. Ich kippte die Tüten auf dem zugemüllten Schreibtisch aus. Mein Sohn hat gestrahlt. Aber er war auch nicht völlig aus dem Häuschen. Er erlebte den Mangel vorher ja nicht als Mangel.
Und auch, wenn ich die DDR nicht zurückhaben will: Der Umgang mit Geld, beziehungsweise ohne, im Osten war toll. Und ich habe sehr viel verdient mit illegalen Geschäften. An einem Tag mehr als meine Eltern im Monat. Aber mit dem Geld konnte man ja nicht wirklich etwas anfangen. Wenig oder viel, es spielte keine Rolle. Das war fantastisch. Die, die nichts oder wenig hatten, wurden mitgenommen und eingeladen. Das war eine große Form der Freiheit. Und dass sich das schlagartig ändern würde, war klar. Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen, mit welcher Sorglosigkeit man lebt, wenn Geld egal ist.