Gudrun S.
62 Jahre
Aschersleben

Als ich am 30. September 1989 im Fernsehen die Rede von Hans-Dietrich Genscher in der Prager Botschaft verfolgte, den Jubel der Menschen vernahm, die nun ausreisen durften, hat mich das zutiefst berührt. In diesem Moment fasste ich den Entschluss, mich politisch in der FDP zu engagieren, um zukünftig etwas zu bewegen. Kurz nach dem Mauerfall fuhren mein Mann, mein kleiner Sohn und ich über die Grenze nach Wolfenbüttel, um uns die Stadt anzusehen. Beim Jägermeisterwerk holten wir spontan unser Begrüßungsgeld ab. Dort sprach uns auch ein Ehepaar aus Wolfenbüttel an, zeigte uns die Stadt und lud uns in ihr Haus zur Übernachtung ein. Deshalb hatten wir keine Gelegenheit, das Begrüßungsgeld auszugeben.

Mit der Prager Balkonrede im Kopf nahm ich Kontakt zum Büro von Genscher auf und gründete im Januar 1990 die Ortsgruppe der FDP Aschersleben. Die ersten freien Kommunalwahlen standen vor der Tür, sodass uns Parteifreunde aus der Partnerstadt Peine vorschlugen, unsere Kandidaten und das Wahlkampfprogramm über Handzettel bekannt zu machen. Mein Begrüßungsgeld nahm ich dann als Anzahlung für den Druck der Handzettel, die ich in einer Druckerei in Hildesheim in Auftrag gab. Danach ging alles sehr schnell. Otto Graf Lambsdorff eröffnete mit mir – unter einer Flut von Zuschauern – auf dem Marktplatz von Aschersleben den Wahlkampf für die Kommunalwahlen im Mai 1990. Die junge FDP erkämpfte zwei Sitze im Stadtparlament von Aschersleben, einen erhielt ich. Der Kreisverband der FDP wählte mich gleichzeitig zur Vorsitzenden der Partei. Im Jahr 2002 zog ich für Sachsen-Anhalt als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag ein.

Diese Jahre waren ein langer und steiniger Weg, der auch durch private Rückschläge gekennzeichnet war. Trotzdem möchte ich diese spannende Zeit in meinem Leben nicht missen!